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Wohnen in Notunterkünften – 53 Jahre statt nur temporär

Notunterkünfte für Obdachlose und wohnungslose Geflüchtete sind meist nur als kurze, temporäre Lösungen gedacht. Doch stattdessen bleibt mehr als ein Drittel der Bewohner oft länger als ein Jahr in den ASOG Unterkünften mit einfachsten Standards.
Mit deren Lebenssituation hat sich ein Praxisforschungsprojekt der Alice Salomon Hochschule befasst. Gemeinsam mit der Liga der Wohlfahrtsverbände haben Studenten 23 Bewohner im Alter von 14 bis 74 Jahren aus verschiedenen Unterkünften befragt. Die Ergebnisse präsentierten sie in einer Podiumsdiskussion am 12. Juni in Berlin Schöneberg.
„Die Unterkünfte platzen aus allen Nähten und die Verweildauer steigt ständig an“, sagte Andrea Asch von der Liga und forderte einen „dringenden Plan, wie menschenwürdige Unterbringung gelingen kann. Ein Ergebnis ihrer Befragung ist: Die von ihnen interviewten Personen blieben zwischen 2 Monaten und bis zu 53 Jahren in diesen Zwischenlösungen hängen.
Insgesamt waren knapp 35.000 wohnungslose Personen 2023 in diesen Unterkünften in Berlin untergebracht, mehr als 10.000 davon waren Kinder und Jugendliche. 2023 betrugen die Gesamtkosten für diese Unterkünfte in Berlin knapp 355 Millionen Euro – also fast 1 Million Euro pro Tag
Mit diesem Geld könnten wir sicher etwas Besseres umsetzen, resümierte Susanne Gerull von der ASH, die das Projekt leitete. „Wir brauchen eine komplette Umstrukturierung des Hilfesystems“, sagte sie.
Gerull verwies in der Diskussion auf gelungene Housing-First-Projekte in Hannover. In Berlin habe es in den letzten 20 Jahren kaum Veränderungen des Mindeststandards gegeben. Das Regelsystem sei somit schon lange nicht mehr zeitgemäß. „Die ASOG Unterkünfte sind von der Idee einer kurzfristigen Gefahrenabwehr zu einer Dauerlösung geworden“, heißt es in der Studie.
Auch wenn formale Mindeststandards oft eingehalten werden, bemängelten die Interviewten teilweise unzumutbare Zustände in den Sanitärbereichen, fehlende Ansprechpartner und ein Fehlen eines sozialen Unterstützungsangebots. Zudem fehle jede Privatsphäre.

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