SwM e.V. - Besuch von Rainer Langhans -Wohnungslosentreffen 2024 -02.08.2024

Gesprächsrunde mit Rainer Langhans
beim Wohnungslosentreffen Freistatt 2024

Ein Ausflug in die 68-er Zeit

Am Freitag (02.08.2024) des Wohnungslosentreffens Freistatt 2024 gab es Vormittags die Gelegenheit, mit Rainer Langhans ins Gespräch zu kommen. Dem Mitbegründer der 68-er „Kommune I“– Kommune EinsK1) wurde die Frage gestellt:

Frank Kruse als Moderator begrüßte in dieser Diskussionsrunde Rainer mit einigen Hinweisen auf die Geschichte der 68-er Zeit, die Außerparlamentäre Opposition (APO) und die Gründung der Kommune Eins als Antwort auf die reaktionären bundesdeutschen Verhältnisse der 1960-er Jahre. Dazu stellte er die Frage, was wir heute von der damaligen APO-Bewegung lernen beim „Kampf um bessere Notunterkünfte“, für eine bessere Versorgung von obdach- und wohnungslose Menschen?

Rainer Langhans sah sich und seine damalige Kommune I, die nur ein kleiner Teil der 68-er-Bewegung gewesen sei. Das sei eine Selbstverbesserungs-Gruppe gewesen für den Versuch, mit der Bereitschaft zur eigenen Veränderung die Grundlage für eine allgemeine „Weltverbesserung“ zu schaffen.

Sein Ziel sei dabei gewesen, zu einem freundlicheren Menschen zu werden im Gegensatz zu den Spieß↟Bürgern dort draußen. Das sei ein Gefühl gewesen wie „ein wenig obdachlos“ in der damaligen — lieblosen — Gesellschaft zu sein.

Das sei aber auch eine Suche nach dem eigenen „Mörder-Gen“ der Eltern gewesen, das die Nazi-Diktatur ermöglicht habe. Verbunden mit der Frage, ob das ererbt oder anerzogen worden sei? Also eine Selbsterkundung nach eigenen negativen Gefühlen, Denken oder gar Leben?

Langhans sagte auch, dass er damals zu dem Entschluss gekommen sei, sich an keinen gewalttätigen Aktionen zu beteiligen. Die Kommune I sei ihm damals als bessere Alternative zur Kleinfamilie erschienen, in einer Welt, die eben nicht das vorstellbare Paradies gewesen sei.

Aber auch in Indien und mit verschiedenen Drogen habe er sein Paradies dann nicht gefunden. In einer von „Arschlöchern“ regierten Welt würde das ein erkennbar längerer Weg werden.

„Alles ist Liebe. Alles ist gut. — Alles ist möglich?“ Mit dieser Fragestellung sei er immer mehr zur Einsicht gekommen, zuerst einmal sich selbst zu lieben und anzunehmen — um dann später die Kraft für Veränderung nach Außen zu finden. Dabei habe er zuletzt auch mit seiner Krebserkrankung erkannt, dass er diese als Teil seines Lebens akzeptieren müsse, auch als einer der letzten Überlebenden „Aktiven“ der 68-er-Zeit in seinem fortgeschrittenen Lebensalter.

Das Angebot nach Freistatt zu kommen um mit obdach- und wohnungslosen Menschen zu reden habe ihn dann recht überraschend erreicht. Das Leben heute sei ja nur begrenzt nachhaltig, unser Weg in die Klimakrise quasi vorgezeichnet. Er frage sich, ob wir die negativen Entwicklungen unserer Zeit — aufflammende Kriege, Corona, Klimakrise & Co — annehmen müssten als Herausforderung ein neues Leben zu beginnen, mit einem Übergang zu mehr Spiritualität als Ziel?

Aus dem Publikum kam die Frage nach Rainers Rolle bei den Anschlagsvorhaben der RAF?

Rainer Langhans sagte, dass er sich in der damaligen Zeit immer mehr gegen Anwendung von Gewalt entschieden habe, ähnlich wie auch Uschi Obermaier. Mit dieser „Make Love — Not War!“-Haltung habe er sich dann auch mit vielen zerstritten, die Gewalt als legitimes Mittel ihres Protests sehen wollten.

Zur Frage nach „jugendlichen Revoluzzern“, die damals bei der Flucht aus reaktionären Familien oft ein Leben auf der Straße führen mussten, wenn sie nicht gar in Erziehungsheime gesteckt wurden, sagte Rainer: Davon hätten sie in der Kommune I — wie auch in anderen Kommunen — immer wieder einige aufgenommen. (auch mit Verweis auf „ihre“ Gedenktafel in Berlin Charlottenburg).

Rainer gab aber auch zu, dass es damals der Kommune als „gemeinsamem Obdach“ nicht gelungen sei, die Welt wirklich besser zu machen. Das sei aber auch eine indirekte Antwort auf die Frage: „Kann frau/man/mensch mit dieser Gesellschaft leben?“ — die ja im weltweiten Vergleich mit anderen Ländern durchaus ihre Vorzüge habe.

SwM e.V. - Besuch von Rainer Langhans -Wohnungslosentreffen 2024 -02.08.2024
SwM e.V. – Besuch von Rainer Langhans -Wohnungslosentreffen 2024 -02.08.2024

Dann stellte Rainer Langhans an die Runde einige Fragen:

  • Gibt es ein gemeinsames Bewusstsein — oder nur ein bewusstloses Ertragen von Leid?
  • Könnt ihr Obdach- oder Wohnungslosigkeit annehmen als Protest gegen diese Gesellschaft?
  • Macht erst eine eigene, innere Veränderung auch ein „besseres Äußeres“ möglich?

Aus dem Publikum kam darauf die Gegenfrage: Müsste die Forderung nach eigenem „Gut sein“ nicht als krasse Überforderung für alle Menschen auf der Straße angesehen werden?

  • Und müssten „negative Gene“ wirklich bei allen Menschen verortet werden?
  • Wie könne ein Mensch — an den Rand der Gesellschaft gedrängt — also als obdachloser Mensch „Frieden & Liebe“ in sich finden?

Rainer Langhans erklärte dann für sich, dass er heute ein Leben mit begrenzten Ressourcen führen würde, ein „armes Leben als Lebenszweck“, auch als Abgrenzung zur sehr materialistischen Gesellschaft.

Damit stelle er auch die Frage nach einer „eigenen Entscheidung“, Arm zu sein …

  • um sich mehr mit seinem Inneren zu beschäftigen
  • um Obdach, Essen und „Reichtum“ auf das nötigste zu reduzieren
  • um seinen inneren Faschisten zu beruhigen (zu befrieden?)

Rainer fragte dann noch, ob die Bewegung FfF (Fridays for Future) nicht auch in die lange Reihe gescheiterter Projekte (Utopien?) einzureihen sei, diesmal quasi als Opfer von „Corona“.

Also ein „Ausprobieren und Scheitern“ in der Endlos-Schleife?

Es kam noch weitere Fragen aus dem Publikum:

  • Frage nach einem „Leben auf der Flucht“ — als Außenseiter der Gesellschaft?
    Langhans stellte seine eigene Erfahrung dagegen, die eher ein Rückzug in seine private Kommune sei.
  • Könne vielleicht die „Umweltbewegung“ als Wegbereiter für eine bessere Welt dienen?
    Dazu stellte Frank Kruse die Frage nach der Rolle von Erziehenden (Pädagogik) — ob die nichts besseres zu tun hätten als die Freitags-Demonstrierenden zu kriminalisieren?
  • Wie habe sich die Kommune I finanziert?
    Langhans dazu: Wir haben „irgendwie“ versucht, Geld zu bekommen — es sei aber zuletzt eine schwierige und recht erfolglose Suche nach Einnahmequellen gewesen.
    Wir mussten uns in der Folge dann „auf das Nötigste“ beschränken.
  • Was hältst Du vom BGE? (bedingungslosen Grundeinkommen)
    Dabei sei es sei ja fragwürdig, ob das überhaupt jemals eine Mehrheit bekommen könnte.
    Auch die aktuell angedachten Bürgergeld-Schikanen ließen nicht gutes vermuten.

Frank Kruse stellte dann noch die Frage, welche Bedeutung wir Ulrike Meinhof und der Bedeutung ihrer Veröffentlichungen zur Jugendhilfe. Das habe ja den Wandel vom „Erziehungs-Knast“ bis in die 1960-er Jahre zu den bedeutenden Verbesserungen der Jugendhilfe von heute geführt.

Rainer Langhans sah auch hierbei die extrem lange „Wartezeit“, bis Wirkungen von Protesten zuletzt sichtbar würden.

Für die Selbstvertretung müsse es um ein „Herauskommen aus der Opferrolle“ gehen. Auch die im Nachhinein zu sehende „Revolution“ des Erziehungssystems war zu 68-er-Zeiten nicht absehbar gewesen.

Auch gehe es darum, sich nicht selbst „klein zu reden“ oder gar „klein zu denken“!

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Text: Jens Roggemann (nach einer Mitschrift von der Diskussionsrunde) |
Fotos: Jens R.

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