Am 11. April 2023 besuchte eine Abordnung der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e. V. (SwM) in Köln den SPD-Abgeordneten und SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag Dr. Rolf Mützenich. Sein Kölner Wahlkreis umfasst die Bezirke Chorweiler, Nippes und Ehrenfeld, in letzterem liegt im Stadtteil Ossendorf die ehemalige Belgische Kaserne, in der seit nunmehr 25 Jahren die Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e. V. (IBWA) zu Hause ist — eines der wenigen bundesdeutschen Projekte, die in Selbstverwaltung ehemals wohnungslosen Menschen neuen Wohnraum anbietet.
Besuch im Wahlkreisbüro
Der Besuch im Kölner Hans-Jürgen-Wischnewski-Haus der SPD kam zustande, weil Ilse Kramer vom Vorstand der IBWA im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Arbeit für obdach- und wohnungslose Menschen kurz vor der Corona-Krise Kontakt mit Rolf Mützenich bekommen hatte und dabei eine Gesprächsrunde angeregt hatte, um die besonderen Probleme im Bereich Wohnungsnot aus dem Blickwinkel von sozial benachteiligten Menschen zu verdeutlichen.
Die Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e. V. war mit Ilse Kramer und Michael Stieler (beide Vorstände im Verein) vertreten.
Die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e. V. war einerseits auch mit Ilse Kramer als Mitglied vertreten, aber auch mit Jens Roggemann von der Freistätter Online Zeitung, Jürgen Schneider vom Armutsnetzwerk e. V. und Frank Kruse als ehrenamtlichen Geschäftsführer der Selbstvertretung und als Bereichsleiter der Wohnungslosenhilfe Freistatt.
Selbstvertretung im Kontakt mit der Politik
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde — Rolf Mützenich ist seit 20 Jahren direkt gewählter Abgeordneter für Köln-Chorweiler-Nippes-Ehrenfeld und seit Juni 2019 SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, was seine Arbeit in Köln im Vergleich zu früher doch einschränken würde — wurden bisherige Kontakte mit SPD-Politiker:innen besprochen:
Den Besuch Peggy Schierenbecks (MdB) in Freistatt Ende Juli 2021 (mit Vorstellung der Wohnungslosenhilfe Freistatt, des Bürgerradios Freistatt und der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e. V.), einen Besuch der Selbstvertretung im Februar 2023 bei Bundesministerin Klara Geywitz und MdB Brian Nikholz, den Besuch von Daniela Behrens (damals Niedersächsische Sozialministerin, heute Nds. Innenministerin) Anfang Januar 2023 beim Koordinierungstreffen der Selbstvertretung und der Einladung der Selbstvertretung zum Tag der Wohnungslosen 2022 bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin.
Allen Treffen war dabei gemeinsam, dass obdach-, wohnungslose oder ehemals wohnungslose Mitglieder der Selbstvertretung mit Politiker:innen zusammenkamen, um aus erster Hand von ihren Problemen zu berichten und ihre Vorschläge zur Verbesserung der Lage von sozial benachteiligten Menschen vorzubringen.
Positionspapiere
Dazu sind auch die Positionspapiere der Selbstvertretung entstanden, die Rolf Mützenich vorgestellt wurden. Der SPD-Fraktionsvorsitzende versprach, die übergebenen Exemplare an andere Politiker mit dem Schwerpunkt „sozialer Themen“ weiterzureichen.
Frank Kruse überreichte dann noch einige Werbeartikel der Selbstvertretung, so auch einen Thermobecher und eine blaue Strickmütze (… nach deren Übergabe vielleicht ein kleiner Namenswechsel denkbar sei?)
Besonders drängende Themen
Beim Besprechen der Positionspapiere machte unsere Abordnung der Selbstvertretung und Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich besonders drei Punkte als besonders drängend aus:
- Die Frage nach einer Reform der ordnungsrechtlichen Unterbringung, die gegenwärtig besonders in größeren Städten oft keine Möglichkeiten für eine menschenwürdige Unterkunft bieten kann.
Die Selbstvertretung bot dazu ihre Mithilfe beim Aufbau eines Arbeitskreises an, der hierzu Möglichkeiten für eine substanzielle Verbesserung ausarbeiten könnte.
- Das Problem des Entstehens von Krankenkassenschulden obdach- und wohnungsloser Menschen durch Fehlzeiten beim Bezug von Transferleistungen:
Seit August 2021 gibt es zwar eine Weisung der Bundesagentur für Arbeit, nach der das Arbeitslosengeld II grundsätzlich monatsweise ab dem Antragsmonat ausgezahlt werden soll.
In der Praxis fühlen sich aber offenbar viele Optionskommunen nicht an diese Weisung gebunden.
Durch Fehlzeiten auflaufende Krankenkassenschulden drängen deshalb immer noch viele wohnungslose Menschen in die beschränkte ärztliche Grundversorgung ab, bei der nur lebensnotwendige Maßnahmen von der Krankenkasse gezahlt werden. - Das Thema Wohnraummangel bei gleichzeitigem Wohnungsleerstand ist besonders für arme Menschen ein unzumutbarer Zustand. Das ist natürlich auch in Köln ein aktuelles Thema. Hier besteht also für die Politik drängender Handlungsbedarf.
Aber auch die derzeitige Mietpreisentwicklung samt entstehender Nebenkosten wird leider für immer mehr Menschen zu einem existenzbedrohenden Problem.
40% oder gar mehr seines Einkommens für Miete und Nebenkosten auszugeben — das sollte eine Gesellschaft keinem Menschen zumuten, meint die Selbstvertretung.
Ausblick
Die Abordnung der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e. V. nahm einen sehr positiven Eindruck aus Köln mit zurück. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zeigte viel Verständnis für unsere vorgetragenen Themen, die obdach- und wohnungslose Menschen beschäftigen.
Wir hatten den Eindruck, dass wir wieder etwas mehr Verständnis für die von uns gesehenen Probleme — siehe dazu auch unsere Positionspapiere — wecken konnten.
Es wäre hilfreich, wenn über solche persönlichen Kontakte wie in Köln mehr Zusammenarbeit der Selbstvertretung mit de Politik auf allen Ebenen (Stadt/Gemeinde — Land — Bund) entstehen könnte.
Die Selbstvertretung steht mit ihren Mitgliedern dafür gerne zur Verfügung!
Text: Jens Roggemann
Fotos & Collage: Jens, mit Vorlagen des Kölner Hans-Jürgen-Wischnewski-Hauses der SPD